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Kategorie: Allgemein

Eine Stellungnahme von Erich Oberem sen.

Nicht erst nach der letzten Kommunalwahl gibt es die an Hurrapatriotismus grenzenden Berichte in der Tagespresse über den starken Aufschwung, den die Stadt Mönchengladbach seit Jahren nimmt. Gegenstand dieser Berichte sind z.B. die ständig steigende Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der boomende Immobilienmarkt, die rege Bautätigkeit - sichtbar an den vielen Kränen in der Stadt - und der Verbrauch an Gewerbegebiet. Die Sauberkeitsinitiative ohne Rücksicht auf Kosten dient als Mittel, um die Empfindung von starker, positver Entwicklung in der Öffentlichkeit zu steigern. Die Gründung eines neuen Aufgabenträgers - einer rechtlich selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts - für angeblich der Sauberhaltung der Stadt dienende Tätigkeiten, die aus der Stadtverwaltung ausgegliedert werden, wird als Großtat gelobt, obwohl weder Inhalt noch Auswirkung dieser Maßnahme beurteilbar sind. Als visionär empfundene Vorstellungen über Möglichkeiten, die Konversion der ehemals militärisch genutzten Fläche im Hardter Wald (JHQ) zu betreiben, werden in einer Form kommuniziert, die an die Verkündung eines Glaubensbekenntnisses erinnert.

Nachrichten darüber, dass die Entwicklung der Stadt allgemein oder in Hinblick auf einzelne Aspekte einen weniger guten Verlauf hat, sind eher selten. So fand z.B. gar keine Erwähnung der kürzlich veröffentlichte Prognos - Zukunftsatlas, der anhand bestimmter Kriterien aufzeigt, wie der Entwicklungsstand aller deutschen Städte (und Kreise) im Vergleich zu einander ist. Unter 402 Städten hat die Stadt Mönchengladbach den Rang 316. Gleiche Untersuchungen hat es in den Jahren 2004, 2007, 2010 und  2012 gegeben. Dabei war der Rang der Stadt Mönchengladbach stets ungefähr gleich schlecht.

Es gibt in der Stadt sicher Maßnahmen und Ereignisse, die beachtlich sind. Was sich daraus ergeben kann, wird aus verschiedenen Blickwinkeln erörtert. Hinter Argumentationen verbergen sich unterschiedliche Zielvorstellungen, die häufig nicht zu harmonisieren sind. Was fehlt, ist das verbindende Moment, um alles Beachtliche zur Weiterentwicklung der Bedeutung der Stadt in einem die Stadtgrenzen überschreitenden Rahmen wirksam zu machen. Es wären Beiträge zu Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung möglich, die verbundenen Zielen dienen. Voraussetzung für ein Denken in diese Richtung wäre eine für die Gesamtstadt festgelegte Zielvorstellung für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung. Eine solche fehlt aber in Mönchengladbach seit Jahrzehnten.

Dies war der Anlass für Initiativen der FWG im Rat der Stadt. Fünfmal (2000, 2002, 2007, 2011 und zuletzt 2014) beantragte die FWG, Zielvorgaben für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung mit fachkundiger, externer Hilfe erarbeiten zu lassen. Alle Anträge wurden von CDU-geführter Mehrheit im Rat der Stadt abgelehnt. Die Festlegung eines Zielkonzeptes erschien wohl ungeeignet als Grundlage für die Umsetzung der eigenen machtpolitischen Vorstellungen dieser Mehrheit.

Vor diesem Hintergrund überraschend, beschloss der Rat der Stadt auf Antrag der von CDU und SPD getragenen Mehrheit eine Ausgabe von 1.500.000 € für Maßnahmen zur Stadtentwicklung in den Jahren 2016 bis 2019. Der Verwaltung wurde gleichzeitig damit der Auftrag erteilt, diese Mittel zu verwenden, um eine Organisationsstruktur mit entsprechender Aufgabenstellung zu errichten. Das Ziel war beschrieben mit Sicherung eines qualitativen Wachstums der Stadt, und zwar entlang den Leitlinien des Wachstums.

Dies ist nicht der erste Versuch, sich dem Ziel planmäßiger Stadtentwicklungsarbeit über eine neue Organisationseinheit in der Verwaltung zu näheren. Die Versuche aus der Zeit Anfang der siebziger und Anfang der fünfundsiebziger Jahre waren nicht sehr erfolgreich. Die Absicht, ein Ziel für alle an dem Erfolg arbeitenden Verwaltungseinheiten zu schaffen, misslang. Zuwiderlaufende politische Einflüsse förderten den Misserfolg.

Unzureichende, meist auf Anstößen von außen beruhende und aus dem politischen Umfeld der Verwaltung gesteuerte Aktivitäten waren Ursachen dafür, dass auch die Arbeit an Bebauungsplänen kein ausreichender Ersatz für einheitliche, zielgebundene Stadtentwicklung sein konnte. Ein Auftrag mit dem Fokus auf Schaffung einer neuen Organisationsstruktur als Grundlage für Maßnahmen der Stadtentwicklung könnte erneut zu Misserfolg führen. Dies gilt insbesondere, weil das Ziel, nämlich die Sicherung eines qualitativen Wachstums der Stadt, anhand nicht näher bestimmter Leitlinien des Wachstums angestrebt werden soll. Es ist deshalb sicher von Interesse, wie die Beratungsvorlage zu beurteilen ist, die der Planungsdezernent in Ausführung des Auftrages aus dem Beschluss aus der Haushaltsberatung vorgelegt hat.

Eine Entscheidung soll der Rat nach dem Inhalt dieser Vorlage des Planungsdezernenten treffen. Trifft der Rat diese Entscheidung wie vorgeschlagen, dann ist damit die Verwaltung beauftragt, die Stadtentwicklungsstrategie mg + Wachsende Stadt umzusetzen. Damit wird die Verwaltung verpflichtet Maßnahmen unter der Bezeichnung Stadtentwicklungsstrategie bezogen auf etwas, das mg+ Wachsende Stadt genannt wird, zu veranlassen. Dieser Auftrag ist so nicht umsetzbar. Es fehlen weitere Informationen, um Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Solche Informationen erschließen sich erst aus der Begründung zum Beschlussentwurf, die aber nicht Inhalt des Ratsbeschlusses wird. Der Kundige kann sich die nachteiligen Folgen eines so konstruierten Ratsbeschlusses vorstellen. Andere wird das nicht interessieren. Die werden den Beschluss wie vorgeschlagen fassen und die an sich ihres Sinnes entkleidete Begründung behandeln wie die Entscheidung selbst. Sei's drum. Wenn am Ende vernünftiges Verwaltungshandeln stattfindet, wäre alles in Butter. Doch geht das überhaupt?

Der Beschlussentwurf ist die Übersetzung eines Handlungsauftrages des Rates für die Verwaltung, wie ihn der handelnde Baudezernent verstehen will. Er interpretiert den Auftrag als Verpflichtung, die Entwicklung einer Strategie voranzutreiben. Mit dieser Erklärung wird die hier zu betrachtende Beschlussentwurfbegründung eingeleitet. Sie belegt, dass der Baudezernent zumindest formal eine über die beschlossene Aufgabenstellung hinausgehende Vorstellung verwirklichen will. Der von ihm zur Aufgabenbenennung verwendete Begriff Strategie lässt das erkennen. Dies ist nämlich die grundsätzliche, langfristige Maßnahmenkombination zur Verwirklichung bestimmter langfristiger Ziele, hier bezeichnet als wachsende Stadt. Im diesem Zusammenhang sind die im zugrunde liegenden Auftragsbeschluss aus der Haushaltsberatung genannten Maßnahmen nur Einzelaufgaben.

Festzuhalten bleibt, dass der Baudezernent eine weitergehende Vorstellung von der gestellten Aufgabe hat als vom Rat beschlossen. Dies kann begrüßt werden, wenn klar ist, welches Ziel letztlich angestrebt wird. Das aber ist aus der Begründung nicht ohne weiteres zu erkennen.

Zunächst werden Entwicklungstendenzen allgemein und in Mönchengladbach beschrieben. Das geschieht wohl, um Leitlinien für Wachstum zu beschreiben, die im Rahmen des geplanten strategischen Handelns zur Stadtentwicklung beachtet werden sollen. So sollen Ansatzpunkte für die Stadtentwicklungsstrategie verfügbar gemacht werden. Die Absicht ist deutlich beschrieben, eine Auswahl nicht getroffen. Dies kann strategischem Handeln nicht dienlich sein, eröffnet jedoch Möglichkeiten zum Handeln nach Beliebigkeit. Zielorientierte Stadtentwicklungsplanung ist das nicht.

Ähnlich unbestimmt sind weitere Ausführungen über die Zielsetzung der Stadtentwicklungsstrategie aus unterschiedlichen Blickwinkeln nach der Aufgabenstellung einzelner Glieder des Konzerns Stadt. Nutzen für bestimmte Formen des Wachstums der Stadt kann aus den entsprechenden Ausführungen nicht gezogen werden. Das Ganze klingt wie schönfärbender Gemeinplatz, nicht wie Zielsetzung.

Unter der Überschrift Leitsätze der Strategie findet man eine Reihe von Aspekten, die bei der Festlegung von Zielen für die Erzeugung von Wachstum für die Stadt bedeutsam sein könnten. Eine Auswahl unterbleibt. Der unter vielerlei Gesichtspunkten betrachtbare Begriff Wachstum bleibt als Zielartikulation ohne jede Differenzierung Gegenstand der Darstellung. Standortvorteile zu generieren sei abhängig von kundenorientiertem, verbindlichem, verlässlichem Handeln der kommunalen Akteure ist ein weiterer Gemeinplatz, der wie eine Zielvorgabe dargebracht wird. Der Ausbau regionaler Verflechtungen und die Verbesserung der Außendarstellung als Ansiedlungsanreize für ausländische Investoren werden betont. Es fehlt jedoch ein Hinweis darauf, in welche Richtung diese Tendenz vorangetrieben werden soll. Das liest sich gut, ist aber keine beachtlich Zielvorstellung.

Wer geglaubt hat, die Darstellung sei als eine realisierbare Aktionsgrundlage für die Stadtentwicklung zu verstehen, wird zuletzt eines anderen belehrt. Stadtentwicklung und Stadtplanung seien ganz anders zu definieren als bisher. Es fehlt aber die Erklärung dafür, wie denn. Vielleicht ist die Erklärung dafür in den Ausführungen zu sehen, die hier wörtlich zitiert werden:

Die frühere Auffassung, dass Stadtentwicklung rein analyse-, problem-, und potenzialorientiert ausgerichtet sein soll und mit dem Fokus auf die Binnensicht der Stadt Strategien oder Programme vorschlagen soll, wird als überholt betrachtet. Im Gegensatz dazu soll die Stadtentwicklung Mönchengladbachs zukünftig stärker umsetzungs- und marktorientiert, unter Beachtung der Außensicht, vorangetrieben werden. Die Gewichtung hat sich verschoben.

Wenn das so ist, kann man eigentlich auf jede Art von Konzept für Stadtentwicklung verzichten und jeweils tun, was möglich macht, etwas als Ziel anzustreben, das sich gerade anbietet. Und dann sind wir genau da, wo Kritik am derzeitigen, - wie eingangs dargestellt - wenig erfolgreichen Handeln ansetzt:

Stadtentwicklung wie Wirtschaftsförderung nach Gelegenheit, nicht Erfordernis.

Die Umsetzung der Strategie, wie sie vom Planungsdezernenten verstanden wird soll projektbezogen erfolgen, jetzt beginnen und auf Ewigkeit ausgerichtet sein. Hier ist der Absicht ein Riegel vorgeschoben, weil finanzielle Ressourcen nur für die Jahre 2016 bis 2019 eingeplant sind. Wie sich diese Situation entwickeln wird, steht in den Sternen. Und das passt sogar zum Zeithorizont auf Ewig.

Aus graphischen Darstellungen über die Operationalisierung - neu statt Zielverfolgung - sind in Bezug auf vorstehend beschriebene Defizite der Beschreibung Stadtentwicklungsstrategie keine erhellenden Informationen zu gewinnen. Angeboten werden allgemeinplatzartige Formulierungen statt konkreter Zielbeschreibungen, z.B. Stärkung der weichen Standortfaktoren Kultur, Sport, Wissenschaft, Bildung und Infrastruktur. Interessant zu wissen wäre aber doch, was ein Ziel in Kultur, Sport oder Wissenschaft wäre. Hier gab es in der Vergangenheit schon mal bessere Ansätze für die Stadtentwicklungsplanung, die sogar umgesetzt wurden, z.B. bei der Ansiedlung des heute ansässigen Teiles der Hochschule Niederrhein.

Zusammenfassend kann ich nur feststellen, dass die Beratungsvorlage, mit der sich der Rat am 16. Juni 2016 befassen wird, gute Ansätze für Planung enthält, letztlich aber doch praktisch nur die derzeitige Praxis stärkt und Neues nicht bewirken kann.